Warum verliert mein Pferd an Gewicht? Die 4 veterinärmedizinischen Schritte zur Bestimmung der Ursache.

Valerie De Clerck
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Valerie De Clerck

7 min
December 18, 2025
Why is my horse losing weight? The 4 veterinary steps to determine the cause.

Wenn dein Pferd zu mager ist, gibt es immer einen Grund, aber der ist nicht immer von außen sichtbar. Deshalb geht deine Tierärztin bzw. dein Tierarzt Schritt für Schritt vor: Zuerst werden einfache, häufig vorkommende Ursachen wie Parasiten und Zahnprobleme ausgeschlossen, danach wird mit einer Blutuntersuchung und, falls nötig, einer Gastroskopie (Magenuntersuchung) genauer hingeschaut. In diesem Artikel liest du, wie deine Tierärztin/dein Tierarzt eine solche systematische Untersuchung aufbaut und welche Informationen die einzelnen Untersuchungen liefern. So verstehst du besser, warum all diese Schritte nötig sind, und ihr könnt gemeinsam gezielter nach der Ursache des Gewichtsverlustes suchen.

 

Allgemeine klinische Untersuchung

Bei einem mageren Pferd beginnt deine Tierärztin/dein Tierarzt mit einer allgemeinen klinischen Untersuchung. Dabei wird dein Pferd vollständig untersucht, mit besonderem Augenmerk auf die Body Condition Score (BCS), die Zähne, den Kot, die Lokomotion (wie sich das Pferd bewegt) und die Atemwege. Gleichzeitig wird deiner Schilderung gut zugehört: Seit wann ist dein Pferd mager, gibt es andere Beschwerden (z. B. Durchfall, Husten, Mattigkeit, Verhaltensänderungen, Kolik), wie sieht die Fütterung aus, …?

 

Auf Basis dieser ersten Untersuchung kann deine Tierärztin/dein Tierarzt entscheiden, welche weiterführende Diagnostik nötig ist: Oft handelt es sich um eine Kotuntersuchung (Parasiten), Blutuntersuchung (Organe, Entzündung, Eiweiße, Hormone) und – wenn die Symptome es nahelegen – eine Gastroskopie, um direkt in den Magen zu schauen. So entsteht Schritt für Schritt ein vollständiges Bild, warum dein Pferd an Gewicht verliert.

 

Entwurmung und Kotuntersuchung

Ein wichtiger Schritt bei der Untersuchung eines mageren Pferdes ist die Entnahme und Analyse einer Kotprobe sowie die Kontrolle des Entwurmungsstatus. Es wird überprüft, wann dein Pferd zuletzt entwurmt wurde und welches Präparat verwendet wurde. Einige Würmer sind gegen bestimmte Mittel resistent, wodurch eine Entwurmung weniger wirksam sein kann. Deshalb wird die Kotprobe trotzdem noch unter dem Mikroskop untersucht, um zu kontrollieren, ob noch Parasiten vorhanden sind. Anhand dieser Kotuntersuchung kann deine Tierärztin/dein Tierarzt auch bestimmen, um welche Wurmarten es sich handelt. Die folgenden Parasiten können bei Pferden zu Gewichtsverlust führen.

 

 

Kleine Strongyliden (Cyathostominae)

 Dies sind die am häufigsten vorkommenden Parasiten bei erwachsenen Pferden. Sie ernähren sich von Blut und Gewebsflüssigkeit in der Darmwand, was Blutungen verursacht. Die Larven können monatelang in der Darmwand ruhen und plötzlich massenhaft freigesetzt werden, was zu Entzündungen, Durchfall, Kolik und Gewichtsverlust führt. Regelmäßige Kotkontrollen und eine strategische Entwurmung sind daher essenziell (Khan et al., 2015).

 

Grobe Strongyliden

 Dieser Wurmtyp kommt durch moderne Entwurmungsstrategien seltener vor, ist aber noch immer ernst zu nehmen. Ihre Larven wandern über Blutgefäße in die Därme und können Blutgerinnsel und Darmschäden verursachen (Khan et al., 2015).

 

Spulwürmer (Ascariden)

 Spulwürmer kommen vor allem bei Fohlen und jungen Pferden vor. Sie leben im Dünndarm und können Verstopfungen und Koliken verursachen. Typische Symptome sind ein aufgeblähter Bauch, stumpfes Fell und langsames Wachstum (Cain & Nielsen, 2022).

 

Bandwürmer

 Bandwürmer heften sich an den Übergang zwischen Dünndarm und Blinddarm. Sie verursachen Verdauungsprobleme und allmählichen Gewichtsverlust.

 

Auf Basis der Kotuntersuchung wird ein individuelles Entwurmungsprogramm erstellt. Pferde, die viel weiden oder häufigen Kontakt zu anderen Pferden haben, profitieren von einem strategischen Entwurmungsschema.

 

Gebisskontrolle

Eine gründliche Gebisskontrolle ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung eines mageren Pferdes. Wenn dein Pferd nicht gut kauen kann, kann es das angebotene Futter nicht richtig verwerten – egal, wie hochwertig dieses ist.

 

Die Zähne deines Pferdes wachsen kontinuierlich. Um sie auf natürliche Weise abzunutzen, benötigt dein Pferd viele Fasern in seinem Futter. Ohne ausreichend Raufutter nutzen sich die Zähne nicht gleichmäßig ab, und es entstehen scharfe Kanten oder Haken, was das Kauen schmerzhaft macht und letztlich zu Gewichtsverlust führen kann. Bei älteren Pferden kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Sie haben oft bereits (teilweise) abgenutzte oder fehlende Zähne und Backenzähne. Dadurch können sie Raufutter weniger gut zerkleinern und aufnehmen, was eine häufige Ursache für Abmagerung oder ausbleibende Gewichtszunahme ist.

 

Gebisskontrolle pferde

Dies sind die häufigsten Zahnprobleme, nach denen eine Tierärztin/ein Tierarzt bei mageren Pferden schaut:

 

  • Haken an den Backenzähnen: verursachen Schmerzen beim Kauen und können dazu führen, dass Raufutter schlecht zerkleinert wird.
  • Wellen- oder Stufengebiss: entsteht durch ungleichmäßige Abnutzung und führt zu weniger effizientem Kauen.
  • Lockere oder fehlende Zähne: Pferde haben dadurch weniger Halt am Futter.
  • „Kappen“ bei jungen Pferden: bleiben zu lange sitzen und behindern das Kauen.
  • Diastasen (Abstände zwischen den Backenzähnen): Futteransammlungen verursachen Schmerzen und Entzündungen.
  • Gebrochene oder gespaltene Backenzähne: führen zu akuten Schmerzen und dazu, dass hartes Futter verweigert wird.
  • Zahnwurzelentzündungen: verursachen starke Schmerzen und schlechten Appetit.
  • Ungleichmäßige Abnutzung durch EOTRH (vor allem bei älteren Pferden): Pferde haben Schmerzen beim Abbeißen (Graham, 2002)

 

Lass das Gebiss deines Pferdes mindestens einmal jährlich kontrollieren, bei mageren und älteren Pferden zweimal im Jahr. So verringerst du das Risiko von Zahnproblemen, Gewichtsverlust und Konditionsverlust.

 

Blutuntersuchung

Wenn die naheliegendsten Ursachen wie Fütterung, Parasiten und Zahnprobleme ausgeschlossen sind, kann deine Tierärztin/dein Tierarzt eine Blutuntersuchung durchführen.

 

Blutuntersuchung pferde

 

Das Blut wird an ein anerkanntes Labor eingeschickt. Anhand der Blutwerte kann deine Tierärztin/dein Tierarzt erkennen, ob es Hinweise auf Probleme mit der Verdauung, dem Stoffwechsel oder auf Entzündungsprozesse irgendwo im Körper gibt.

 

Im nächsten Artikel gehen wir näher darauf ein, welche Blutwerte wichtig sind und was sie für dein mageres Pferd bedeuten.

 

Gastroskopie

Manchmal ist es sinnvoll, dass deine Tierärztin/dein Tierarzt in den Magen deines Pferdes schaut, um zu sehen, ob dort Magengeschwüre oder andere Probleme vorliegen. Diese Untersuchung heißt Gastroskopie.

 

Oft wird diese Untersuchung vorgeschlagen, wenn dein (mageres) Pferd zusätzlich eines oder mehrere dieser Signale zeigt:

 

  • häufiges Gähnen
  • Zähneknirschen
  • Empfindlichkeit beim Gurten
  • stumpfes Fell
  • wiederkehrende (leichte) Kolik
  • aufgezogene Bauchpartie

 

Bei einer Gastroskopie wird ein dünner, flexibler Schlauch mit einer kleinen Kamera über das Nasenloch bis in den Magen vorgeschoben. Dein Pferd erhält dafür eine leichte Sedierung, damit es ruhig bleibt. Auf einem Bildschirm kann die Tierärztin/der Tierarzt dann die Magenwand direkt betrachten.

 

Gastroskopie pferde

Dabei wird unter anderem geachtet auf:

 

  • Magengeschwüre (rote oder gereizte Stellen, teils blutend)
  • Drüsenmagen-Geschwüre (Geschwüre im Bereich des Magenausgangs)
  • entzündete oder verdickte Wandabschnitte
  • überschüssigen Schleim oder Futterreste
  • Narben oder andere Auffälligkeiten

 

Magengeschwüre und Darmentzündungen führen zu verringertem Appetit, Schmerzen beim Fressen und einer schlechten Nährstoffaufnahme, was allmählichen Muskelverlust und ein stumpfes Fell verursachen kann. 

 

Eine Gastroskopie liefert einen sichtbaren Nachweis dieser Erkrankungen und hilft bei der Wahl der passenden Behandlung (Stämpfli & Oliver, 2006).

 

Kurz zusammengefasst

Wenn dein Pferd Gewicht verliert oder trotz guter Fütterung nicht zunimmt, gibt es immer einen Grund. Parasiten, Zahnprobleme, innere Erkrankungen oder Magengeschwüre sind die häufigsten Ursachen.

 

Die beste Vorgehensweise ist eine systematische Untersuchung: Schritt für Schritt ausschließen, was in Frage kommt. Mit der richtigen Diagnose und Behandlung gewinnen die meisten Pferde ihre Kondition innerhalb weniger Monate zurück.

 

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