Du hast alles versucht, aber dein Pferd nimmt einfach nicht zu oder ab. Es kann frustrierend sein, so viel Mühe in die Pflege zu stecken und trotzdem über Monate keine Veränderung zu sehen. Damit bist du nicht allein – viele Pferdebesitzer stehen vor derselben Herausforderung.
Was steckt also wirklich dahinter? Unser Gefühl für „zu dünn“ oder „zu dick“ hängt oft davon ab, was wir gewohnt sind zu sehen, und der äußere Eindruck kann täuschen. Genau deshalb ist es so wichtig, die Körperkondition deines Pferdes systematisch zu beurteilen.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Einschätzung des Body Condition Score (BCS) gar nicht so einfach ist: Besitzer bewerten ihr Pferd häufig anders als ihre Tierärztin bzw. ihr Tierarzt, einfach weil ihnen Erfahrung und Schulung in diesem Bereich fehlen. Daher ist es sinnvoll, den BCS gemeinsam mit der Tierärztin/dem Tierarzt zu beurteilen, zu lernen, worauf man achten muss, und zum Beispiel regelmäßig Fotos von deinem Pferd zu machen. So kannst du den Ernährungszustand deines Pferdes systematisch mit einem BCS-System verfolgen, statt dich nur auf den bloßen Eindruck zu verlassen (Henneke et al., 1983; Busechian et al. 2022).
Der Standard zur Beurteilung der Körperkondition deines Pferdes ist der Henneke Body Condition Score (BCS). Dieses System nutzt eine Skala von 1–9, basierend auf Fett- und Muskelpolster an sechs Schlüsselpunkten:
- Hals
- Widerrist
- Schulterbereich
- Rippen
- Rücken/Lenden
- Schweifansatz
Ein Score von 1–4 bedeutet, dass dein Pferd zu dünn ist, ein Score von 5 entspricht dem Ideal, und ein Score von 6–9 bedeutet, dass dein Pferd übergewichtig ist (Henneke et al., 1983).
In der folgenden Anleitung erfährst du, worauf du von Hals bis Schweifansatz achten solltest und wie sich jeder Score in dem widerspiegelt, was unter dem Fell passiert.
So kannst du die Körperkondition deines Pferdes beurteilen:
Score 1: sehr schlecht

- Hals: Knochen sind sichtbar/fühlbar, kaum oder kein Fettpolster
- Widerrist: Knochen sind sichtbar/fühlbar, kaum oder kein Fett
- Schultern: Knochen sind sichtbar/fühlbar, kaum oder kein Fett
- Rippen: sehr deutlich sichtbar, kaum oder kein Fett
- Rücken/Lenden: Dornfortsätze der Wirbelsäule sind sehr deutlich sichtbar, kaum oder kein Fett
- Schweifansatz: Knochen sind sehr deutlich sichtbar, kaum oder kein Fett
Score 2: sehr dünn

- Hals: Knochen sind sichtbar/fühlbar
- Widerrist: Knochen sind sichtbar/fühlbar
- Schultern: Knochen sind sichtbar/fühlbar
- Rippen: sehr deutlich sichtbar
- Rücken/Lenden: Wirbel können ertastet werden
- Schweifansatz: einzelne Wirbel können gesehen/gefühlt werden
Score 3: dünn

- Hals: wirkt hervortretend/akzentuiert
- Widerrist: wirkt hervortretend/akzentuiert
- Schultern: wirken hervortretend/akzentuiert
- Rippen: noch sichtbar, aber von einer dünnen Fettschicht bedeckt
- Rücken/Lenden: Wirbel sind nicht mehr gut zu fühlen, aber noch sichtbar
- Schweifansatz: kann ertastet werden, einzelne Wirbel sind jedoch nicht sichtbar
Score 4: mäßig dünn

- Hals: nicht übermäßig dünn
- Widerrist: nicht übermäßig dünn
- Schultern: nicht übermäßig dünn
- Rippen: Konturen der Rippen sind sichtbar
- Rücken/Lenden: Kontur der Wirbel ist sichtbar und ragt leicht hervor
- Schweifansatz: Wirbel können je nach Körperbau noch sichtbar sein. Etwas Fettgewebe ist tastbar.
Score 5: ideal

- Hals: Übergang wirkt harmonisch und glatt
- Widerrist: wirkt abgerundet
- Schultern: sanfter Übergang in den Rumpf
- Rippen: sind nicht sichtbar, aber gut zu ertasten
- Rücken/Lenden: Rückenlinie ist gerade/eben
- Schweifansatz: Fett um den Schweifansatz beginnt weicher zu wirken
Score 6: mäßig kräftig

- Hals: erste Fettansätze werden sichtbar
- Widerrist: erste Fettansätze werden sichtbar
- Schultern: erste Fettansätze werden sichtbar
- Rippen: Fett über den Rippen fühlt sich „schwammig“ an
- Rücken/Lenden: kann eine leichte Rinne (positive Vertiefung) entlang der Wirbelsäule zeigen
- Schweifansatz: Fett um den Schweifansatz fühlt sich weich an
Score 7: kräftig/fleischig

- Hals: deutlich sichtbare Fettablagerungen entlang des Halses
- Widerrist: deutlich sichtbare Fettablagerungen entlang des Widerrists
- Schultern: deutlich sichtbare Fettablagerungen hinter der Schulter
- Rippen: einzelne Rippen sind nur mit Druck zu ertasten, Fett zwischen den Rippen ist sichtbar
- Rücken/Lenden: zeigt meist eine deutliche Rinne (positive Vertiefung) entlang des Rückens
- Schweifansatz: Fett um den Schweifansatz fühlt sich weich an
Score 8-9: fett/extrem fett

- Hals: hervortretende, wulstige Fettpolster sichtbar
- Widerrist: hervortretende, wulstige Fettpolster sichtbar
- Schultern: hervortretende, wulstige Fettpolster sichtbar
- Rippen: Fett über den Rippen wirkt ungleich verteilt
- Rücken/Lenden: deutliche, tiefe Rinne entlang des Rückens
- Schweifansatz: sichtbar wulstige Fettpolster um den Schweifansatz
TIPP:
Alles dokumentieren!
Starte mit Fotos: Stelle dein Pferd auf einen ebenen Untergrund, achte darauf, dass es gerade und möglichst „geschlossen“ (quadratisch) steht. Mach die Fotos immer aus derselben Entfernung und im gleichen Winkel (Seitenansicht und von hinten).
Führe ein Notizbuch, wenn du den Body Condition Score (BCS) beurteilst. Schreibe für jede Zone (Hals, Widerrist, Rücken, Rippen, Lenden, Schweifansatz) auf, was du siehst und was du fühlst, und vergebe einen Score.
Benutze außerdem ein Gewichtsmessband um den Rumpf (hinter dem Widerrist) und notiere den Umfang bzw. das geschätzte Gewicht jedes Mal. Miss immer an derselben Stelle.
Keine Methode ist für sich allein perfekt, aber indem du BCS, Fotos und Gewichtsmessband kombinierst, kannst du Veränderungen im Ernährungszustand deines Pferdes viel klarer nachvollziehen.

Fazit
Das Gewicht eines Pferdes hängt von vielen Faktoren ab: Alter, Rasse, Gesundheitszustand und Aktivitätsniveau. Nachdem du gemeinsam mit deiner Tierärztin/deinem Tierarzt den Body Condition Score deines Pferdes beurteilt und festgestellt hast, dass er zu niedrig oder zu hoch ist, besteht der nächste Schritt darin, gemeinsam herauszufinden, warum das so ist.